Offene Kinder- und Jugendarbeit ermöglichen statt sich den Rechten und Interessen von Kindern und Jugendlichen zu verschließen.
Stellungnahme des Netzwerkes Offene Kinder- und Jugendarbeit Schleswig-Holsteins zum Corona-Perspektivplan der Landesregierung vom 26.01.2021
Für die Offene Kinder- und Jugendarbeit gelten besondere Strukturcharakteristika wie beispielweise wechselnde Teilnehmer*innen, beziehungsabhängige Arbeit, Offenheit und die freiwillige, spontane Teilnahme. Daraus ergeben sich für junge Menschen niedrigschwellige Bildungsangebote, verschiedene Aneignungsräume sowie ein Feld der politischen Bildung durch Partizipation und Beteiligung.
Momentan sieht die Realität in der OKJA in Schleswig-Holstein allerdings anders aus. Aufgrund der Kontaktbeschränkungen sind die Einrichtungen der OKJA geschlossen, persönlichen Kontakt gibt es auf ein Minimum reduziert in Zweiergesprächen an Offenen Fenstern oder als Spaziergang.
Angebote mit mehreren Jugendlichen können ausschließlich online stattfinden, Angebote für Kinder und Jugendlichen sind beispielsweise aufgrund der Datenschutzregelungen hier aber nur eingeschränkt möglich. Auch schaffen Digitale Angebote keinen Ersatz für reale Begegnungen und Beziehungen.
Nun ist es im aktuellen Perspektivplan der Landesregierung vorgesehen, die Mädchen*- und Jugendhäuser in „Stufe II: Der Inzidenzwert liegt 21 Tage lang stabil unter 50“ für feste Gruppengrößen zu öffnen.
Dies wäre also frühestens 14 Tage nachdem Kitas und Schulen wieder im Regelbetrieb arbeiten der Fall. Hier werden Kinder und Jugendliche auf ihre Rolle als Schüler*innen reduziert, und ihre Rolle als Freund*innen, Partner*innen, Rebell*innen, Sportler*innen und Peergroup- und Szenezugehörige leider völlig vernachlässigt.
Für die OKJA bedeutet auch eine Öffnung für feste Gruppengrößen noch lange keine Rückkehr zum Regelbetrieb, sondern ein eklatanter Einschnitt in die Grundprinzipien der OKJA. Es wäre mit festen Gruppen statt Offenheit, mit festen Zeiten statt Spontanität sowie mit Einschränkungen der Beziehungsarbeit, von Partizipation und Beteiligung zu rechnen. Junge Menschen brauchen aber genau diese Freiräume, sie brauchen ihre Peergroup für die jugendspezifischen Entwicklungsaufgaben als Erfahrungs- u. Handlungsraum. Genauso brauchen die jungen Menschen Gehör und Anerkennung als Bürger*innen der Gesellschaft. Die Lage der jungen Menschen spitz sich zunehmend zu, sodass negative Verhaltensweisen, Verstimmungen und Perspektivlosigkeiten verstärkt wahrgenommen werden.
Wir erkennen an, dass unter diesen besonderen Bedingungen auch die OKJA von Maßnahmen zur Minderung der Infektionsrate in der Corona-Pandemie betroffen ist und tragen diese Einschränkungen prinzipiell auch mit. Die OKJA hat im Frühjahr bewiesen, dass sie ausgereifte und gut funktionierende Hygienekonzepte erstellen und umsetzen kann. Nun braucht die OKJA aber eine Perspektive unter der sie mit jungen Menschen gut, sicher und an ihren Grundprinzipien orientiert arbeiten kann. Diese Arbeit ist kein Freizeitvergnügen. Die Kolleg*innen in der OKJA vertreten täglich die Kinder- und Jugendrechte zu Teilhabe an Gesellschaft und Partizipation. Auch der 15. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung unterstreicht die Bedeutung der Freiräume für den Prozess des Heranwachsens. Dem wird der Perspektivplan der Landesregierung nicht gerecht.
Daher fordern wir eine frühere Wiedereröffnung der OKJA unter den aktuellen Bedingungen.
Mit einer früheren Wiedereröffnung von Kinder- und Jugendeinrichtungen können wir einen wichtigen Beitrag zu gesellschaftlicher Teilhabe, zu Entspannung in den Familien sowie zur Partizipation junger Menschen beitragen. Die Lebensphase der Jugend zu Coronazeiten ist geprägt von einer Ungewissheit, Isolation und eingeschränkter Persönlichkeitsentwicklung. Junge Menschen brauchen ebenso eine professionelle Begleitung wie bspw. ältere Menschen in ihrer Lebensphase.
Auch lohnt sich hier ein Blick in unser Nachbarbundesland Hamburg, dass nach aktueller Verordnung ab dem 25.01.2021 Angebote der OKJA unter bestimmten Bedingungen erlaubt.
Das Netzwerk OKJA Schleswig-Holstein bietet hier den politischen Akteuren an, mit konkreten Vorschlägen zu unterstützen.
Im Namen des Netzwerkes Offenen Kinder- und Jugendarbeit in Schleswig-Holstein
Die Lenkungsgruppe
gez. Marcelle Scherer, Kiel
gez. Ali Evdedurmaz, JugendAkademie SE
gez. Matthias Beck, Kreis Herzogtum Lauenburg
gez. Dirk Dillmann, Sportpiraten Flensburg
gez. Kai Schröder, AAK Flensburg
Weiterführende Literatur ist zu finden unter
VKJHH: Aktuelle Studie und Stellungnahmen (kinder-undjugendarbeit.de)
„Wir sind da!“ 5 Thesen zur Offenen Kinder-und Jugendarbeit in der Pandemie ownCloud (hamm.de)
Coronakrise: Allgemeine Informationen (offene-jugendarbeit.net) der BAG OKJE